Schöne Gastarbeiterin
Modeln scheint oft nur auf den Fotos glamourös. Aber für Olesja war es die Chance, rauszukommen aus Weißrussland.
Ein Freitag im Januar 2015. Auf dem Markt am Maybachufer in Berlin bestellt sich ein Model ein Brathähnchen: Olesja, 23, isst die Hälfte auf, leckt sich die fettigen Finger ab und wischt sie dann an der Serviette ab. Die andere Broilerhälfte wickelt sie wieder in die Tüte – für zu Hause. Olesja hat es in den letzten drei Jahren gelernt, sparsam zu sein. Sie müsse zwar nicht hungern, um ihr Gewicht zu halten, aber es habe schon Wochen gegeben, in denen sie sich kein Essen kaufen konnte, weil das Geld nicht reichte, sagt sie.
2012, als Olesja gerade anfing zu modeln, hat sie wochenlang von Müsli und Reis gelebt. Die abgereisten Mädchen hatten diese in der Modelwohnung gelassen. Olesjas Agentur streckte das Geld für den Flug vor, stellte einen Schlafplatz in London und zahlte umgerechnet 70 Euro Taschengeld pro Woche. Davon gingen 50 für das U-Bahn-Ticket drauf, mit dem sie von einem Casting zum nächsten fuhr, ein Dutzend am Tag. Von ihrem restlichen Geld kaufte sie sich eine SIM-Karte und Möhren, gegen Heimweh und für Vitamine. Olesjas erste Lohnabrechnung wies aus, dass sie ihrer Agentur 300 Euro schuldete. Zwar hatte sie einige Modeljobs bekommen, aber wie in der Branche üblich, bezahlte die Agentur die Reisekosten und die Unterkunft nur auf Vorschuss, um die Auslagen später von der Modelgage wieder abzuziehen.