Wir wollen doch nicht so ein stinknormales Leben haben!

Wir wollen doch nicht so ein stinknormales Leben haben!

Jedes Jahr nach dem Abi machen sich Tausende von Schülern auf eine Reise um die Welt, auf die Suche nach sich selbst. Danach fühlen sie sich oft ratloser als vorher.

Der Plan für nach dem Abi lautete: Es gibt keinen Plan. Es war Juni 2005, Christoph hatte das Reifezeugnis in der Tasche und nicht die geringste Ahnung, was er mit dem Sommer, geschweige denn mit dem Rest seines Lebens, anfangen soll. Wegen einer Hühnereiweißallergie ausgemustert, vergeudete er die Sommertage, schraubte an seinem Volkswagenbus und fühlte sich merkwürdig lose - obwohl er seit der fünften Klasse nur eines gewollt hatte: Raus aus der Schule.

Nach dem Abiball schlug die neue Freiheit aber bald in Langeweile um, dann ergab sich eine drückende Leere. Das erste Ziel war erreicht, ein neues war allerdings nicht in Sicht. Es blieb nur ein diffuser Wunsch: ganz weit weg zu sein. "Verzettelt". So beschreibt Christoph, 23, heute in München seinen damaligen Zustand. Er sitzt in der Küche seiner WG, isst Ravioli und malt Pfeile auf einen amöbenartigen Klecks, den er auf ein Löschblatt gezeichnet hat. Die Amöbe ist Australien, die Pfeile sind seine Route durch den Kontinent: Sydney, Adelaide, Darwin, Gove, und zum Schluss die Partyküste runter.

Tausende von Jugendlichen machen sich jedes Jahr auf die Reise, um eines zu tun: sich gezielt herumzutreiben. Bei "Sta Travel", dem nach eigenen Angaben größten Anbieter für Jugend- und Studentenreisen weltweit hat sich die Zahl der verkauften Round-The-World-Tickets in den vergangenen Jahren vervielfacht; die beliebtesten Ziele der Reisenden sind dabei Australien, Neuseeland und Südostasien. Viele Backpacker kommen frisch von der Schule und haben vor allem zwei Dinge im Sinn: die Lust auf Neues und irgendwie die Suche nach sich selbst. Während des Abiturs fehlt schließlich die Zeit, sich Gedanken um das Danach zu machen. Es geht um's Bestehen, um Noten, um ein Ticket in die Zukunft. Wer diese Fahrkarte aber in Händen hält, dem mangelt es oft an einer Idee für ein neues Ziel. Und so sind die Erwartungen an den "Auslandsreisepuffer" zwischen Schule und Studium groß: Die Reise soll Orientierung bringen, Sinn stiften und am besten einen fertigen Lebensentwurf ergeben. 

 
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